Sonntag, 29. Juni 2014

...und mit dem Veganismus so...?

Danke der Nachfrage! Läuft bestens. Zwar identifiziere ich mich nicht völlig als Veganerin, da ich Honig konsumiere und mein Lebensstil allgemein ganz klar Wirbeltiere im Fokus hat (auch wenn ich beispielsweise Tintenfische in meinen Tierschutzgedanken miteinbeziehen würde), aber mein Alltagsleben entspricht tatsächlich dem einer Veganerin.

Es sind ja nun über 1 1/2 Jahre, die ich mich in diesen Lebensstil eingelebt habe. Anfangs habe ich überlegt, Rezepte zu posten oder Alltagstipps zu bloggen. Aber da gibt es so viele spezialisierte Blogs, dass ich dem eigentlich nicht viel hinzu zu fügen habe.

Ich komme ganz gut über die Runden, koche halt das allermeiste selbst und habe auch Spaß daran. Das färbt zum Teil auf meine Umgebung ab - ganz ohne Missionierungsversuche.
Kollegen machen mir häufig einen extra-Kuchen, wenn sie Geburtstag hatten, was mich wirklich total rührt und was ein kleiner Teil dessen ist, warum ich so glücklich mit dem Klima in meiner Arbeitsgruppe bin.
Nur, wenn ich mich nicht selbst versorgen kann, merke ich meine selbst auferlegten Beschränkungen. Dann gibt es vielleicht nur eine vegetarische Option im Restaurant - und die kommt nicht ohne Käse oder Sahne aus. Aber meistens finde ich mich zurecht, zumal ich meistens wegen der netten Gesellschaft ausgehe und nicht, um etwas zu essen. 

Ich bin nach wie vor nicht prinzipiell gegen (wirbel-)tierische Produkte, weiß aber nicht, ob ich sie noch ohne negative Assoziationen zu mir nehmen kann und habe auch kein Bedürfnis danach, es heraus zu finden.

Mir ist nach wie vor bewusst, dass sich durch mein Konsumverhalten nicht wirklich etwas verändert. Esse ich weniger Fleisch, wird halt nen Schnitzel mehr weggeworfen, weil die Läden ihre Kühlregale und Frischetheken ja bis Ladenschluss einladend gefüllt haben wollen. Da fällt mein Verzicht nicht ins Gewicht. Essen die Deutschen insgesamt weniger Tier, wird halt mehr Tier exportiert. Wird ja immerhin subventioniert.
Mein Verzicht ist daher mehr ein persönliches "Will damit nichts zu tun haben". Nichts mit Massentierhaltung, nichts mit Schlachtung im Sekundentakt, nichts mit Antibiotikaresistenzen, nichts mit Ausbeutung von Menschen in den Schlacht- und Fleischerei-Fabriken, nichts mit Überfischung und Ressourcenverschwendung. Das ist natürlich ein Ideal, das nicht erreicht werden kann, aber Veganismus ist noch eine der einfacheren Maßnahmen im Bereich des Konsums: Tierische Inhaltsstoffe lassen sich dort, wo sie aufgelistet sind, ganz einfach durch Nicht-Kauf vermeiden und es bleibt dann noch immer genug für ein gutes Leben übrig. Es ist noch nicht einmal unbedingt teuer. In anderen Bereichen, wie etwa Fair Trade, ist es deutlich schwieriger, seine Überzeugung konsequent auszuleben und es schlägt viel schneller ins Geld. Plastik zu vermeiden ist ebenfalls etwas, das ich zunehmend probieren möchte, krämpelt das Leben, wenn man den Vorsatz sehr ernst nimmt, aber auch ganz schön krass um.

Natürlich würde sich eine hypothetische "Veganisierung" der Gesellschaft positiv bemerkbar machen: Wäre ein ganzes Volk gegen Massentierhaltung, ließe sich das Konzept natürlich auch politisch nicht mehr vertreten. Ich glaube nur nicht so recht daran. Bzw.: Ich glaube nicht an die vegane Revolution. So, wie es zur Zeit um uns bestellt ist, mit all den Bequemlichkeiten des Einzelnen und den Zwängen der Strukturen, die uns umgeben - inklusive einem kapitalistischen System, das Produkte zelebriert, die Produktion aber versteckt - müsste es m.E. erst zu dem Zusammenbruch der Strukturen kommen, bevor die Gesellschaft "veganisiert" (oder "gerecht") wird.
Aber unser Konsumverhalten zeigt schon jetzt, was wir gewillt sind, hinzunehmen. Und was wir tolerieren, das wird politisch nicht ernsthaft diskutiert werden.

Ich möchte mich auch einfach nicht in einem System wohl fühlen, das Mensch, (nichtmenschliches) Tier und Umwelt ausbeutet, es lieb gewinnen und mich dann nur noch in der Situation vorfinden, dass ich meine Privilegien schützen möchte, die mir das System zuspielt. Blöderweise hinkt das Erkennen der eigenen Privilegien dem Verhalten hinterher, weswegen dieser Wunsch nur Korrekturmaßnahmen bedingen kann... aber Resignation kann man sich halt nicht leisten, wenn man erkannt hat, dass das Private nicht unpolitisch ist.

Dabei stehe ich erst ganz am Anfang: Eigentlich möchte ich mehr, als selektiv auf tierische Produkte zu verzichten und mir andererseits nur gelegentlich durch Fair Trade das Gewissen zu beruhigen. Eigentlich würde ich mir gerne Wissen aneignen, um unabhängiger von Marktstrukturen zu werden und dieses Wissen teilen. Indoor und urban gardening sind beispielsweise kleine Schätze des Wissens, welche durch Verbreitung relevant werden könnten. Überhaupt mehr selbst machen oder Netzwerke gründen, in denen man (selbsgemachte) Waren teilt. Warum nicht doch mal containern gehen oder wenigstens Lebensmittel verschenken, die man nicht mehr braucht? Immerhin kann man, sobald man ein Produkt käuflich erwibt, kaum verhindern, dass Geld direkt oder indirekt an Großkonzerne geht, welche durch amoralischen "Pragmatismus" Umsatz machen.
Durch all diese Maßnahmen wird man zwar nicht autark, aber vielleicht verschiebt sich der Blick darauf, was man tatsächlich braucht und kann mit dem Geld, das man tatsächlich ausgeben muss, Prioritäten setzen und gezielter fair, bio oder einfach weniger ausbeuterisch (also z.B. keine für Skandale berüchtigten Marken) kaufen.
So viel zur Theorie.
Bisher habe ich zu den meisten dieser Ideen nicht den Mut oder die Motivation gehabt, es mal zu probieren. Aber vielleicht hilft ja das Bloggen dabei, mal in Bewegung zu kommen.
Und wer weiß? Mit Netzwerken, die kreative Lösungen umsetzen und verbreiten, mag man vielleicht mit der Zeit ein tragbares System aufbauen, das wieder lokaler und transparenter agiert. Aber ach, jetzt fange ich noch an zu träumen...

1 Kommentar:

  1. Und wie ist es heute? Vier Jahre später...
    Wäre schön, wenn du mal wieder schreiben würdest!

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