Sonntag, 29. Juni 2014

...und mit dem Veganismus so...?

Danke der Nachfrage! Läuft bestens. Zwar identifiziere ich mich nicht völlig als Veganerin, da ich Honig konsumiere und mein Lebensstil allgemein ganz klar Wirbeltiere im Fokus hat (auch wenn ich beispielsweise Tintenfische in meinen Tierschutzgedanken miteinbeziehen würde), aber mein Alltagsleben entspricht tatsächlich dem einer Veganerin.

Es sind ja nun über 1 1/2 Jahre, die ich mich in diesen Lebensstil eingelebt habe. Anfangs habe ich überlegt, Rezepte zu posten oder Alltagstipps zu bloggen. Aber da gibt es so viele spezialisierte Blogs, dass ich dem eigentlich nicht viel hinzu zu fügen habe.

Ich komme ganz gut über die Runden, koche halt das allermeiste selbst und habe auch Spaß daran. Das färbt zum Teil auf meine Umgebung ab - ganz ohne Missionierungsversuche.
Kollegen machen mir häufig einen extra-Kuchen, wenn sie Geburtstag hatten, was mich wirklich total rührt und was ein kleiner Teil dessen ist, warum ich so glücklich mit dem Klima in meiner Arbeitsgruppe bin.
Nur, wenn ich mich nicht selbst versorgen kann, merke ich meine selbst auferlegten Beschränkungen. Dann gibt es vielleicht nur eine vegetarische Option im Restaurant - und die kommt nicht ohne Käse oder Sahne aus. Aber meistens finde ich mich zurecht, zumal ich meistens wegen der netten Gesellschaft ausgehe und nicht, um etwas zu essen. 

Ich bin nach wie vor nicht prinzipiell gegen (wirbel-)tierische Produkte, weiß aber nicht, ob ich sie noch ohne negative Assoziationen zu mir nehmen kann und habe auch kein Bedürfnis danach, es heraus zu finden.

Mir ist nach wie vor bewusst, dass sich durch mein Konsumverhalten nicht wirklich etwas verändert. Esse ich weniger Fleisch, wird halt nen Schnitzel mehr weggeworfen, weil die Läden ihre Kühlregale und Frischetheken ja bis Ladenschluss einladend gefüllt haben wollen. Da fällt mein Verzicht nicht ins Gewicht. Essen die Deutschen insgesamt weniger Tier, wird halt mehr Tier exportiert. Wird ja immerhin subventioniert.
Mein Verzicht ist daher mehr ein persönliches "Will damit nichts zu tun haben". Nichts mit Massentierhaltung, nichts mit Schlachtung im Sekundentakt, nichts mit Antibiotikaresistenzen, nichts mit Ausbeutung von Menschen in den Schlacht- und Fleischerei-Fabriken, nichts mit Überfischung und Ressourcenverschwendung. Das ist natürlich ein Ideal, das nicht erreicht werden kann, aber Veganismus ist noch eine der einfacheren Maßnahmen im Bereich des Konsums: Tierische Inhaltsstoffe lassen sich dort, wo sie aufgelistet sind, ganz einfach durch Nicht-Kauf vermeiden und es bleibt dann noch immer genug für ein gutes Leben übrig. Es ist noch nicht einmal unbedingt teuer. In anderen Bereichen, wie etwa Fair Trade, ist es deutlich schwieriger, seine Überzeugung konsequent auszuleben und es schlägt viel schneller ins Geld. Plastik zu vermeiden ist ebenfalls etwas, das ich zunehmend probieren möchte, krämpelt das Leben, wenn man den Vorsatz sehr ernst nimmt, aber auch ganz schön krass um.

Natürlich würde sich eine hypothetische "Veganisierung" der Gesellschaft positiv bemerkbar machen: Wäre ein ganzes Volk gegen Massentierhaltung, ließe sich das Konzept natürlich auch politisch nicht mehr vertreten. Ich glaube nur nicht so recht daran. Bzw.: Ich glaube nicht an die vegane Revolution. So, wie es zur Zeit um uns bestellt ist, mit all den Bequemlichkeiten des Einzelnen und den Zwängen der Strukturen, die uns umgeben - inklusive einem kapitalistischen System, das Produkte zelebriert, die Produktion aber versteckt - müsste es m.E. erst zu dem Zusammenbruch der Strukturen kommen, bevor die Gesellschaft "veganisiert" (oder "gerecht") wird.
Aber unser Konsumverhalten zeigt schon jetzt, was wir gewillt sind, hinzunehmen. Und was wir tolerieren, das wird politisch nicht ernsthaft diskutiert werden.

Ich möchte mich auch einfach nicht in einem System wohl fühlen, das Mensch, (nichtmenschliches) Tier und Umwelt ausbeutet, es lieb gewinnen und mich dann nur noch in der Situation vorfinden, dass ich meine Privilegien schützen möchte, die mir das System zuspielt. Blöderweise hinkt das Erkennen der eigenen Privilegien dem Verhalten hinterher, weswegen dieser Wunsch nur Korrekturmaßnahmen bedingen kann... aber Resignation kann man sich halt nicht leisten, wenn man erkannt hat, dass das Private nicht unpolitisch ist.

Dabei stehe ich erst ganz am Anfang: Eigentlich möchte ich mehr, als selektiv auf tierische Produkte zu verzichten und mir andererseits nur gelegentlich durch Fair Trade das Gewissen zu beruhigen. Eigentlich würde ich mir gerne Wissen aneignen, um unabhängiger von Marktstrukturen zu werden und dieses Wissen teilen. Indoor und urban gardening sind beispielsweise kleine Schätze des Wissens, welche durch Verbreitung relevant werden könnten. Überhaupt mehr selbst machen oder Netzwerke gründen, in denen man (selbsgemachte) Waren teilt. Warum nicht doch mal containern gehen oder wenigstens Lebensmittel verschenken, die man nicht mehr braucht? Immerhin kann man, sobald man ein Produkt käuflich erwibt, kaum verhindern, dass Geld direkt oder indirekt an Großkonzerne geht, welche durch amoralischen "Pragmatismus" Umsatz machen.
Durch all diese Maßnahmen wird man zwar nicht autark, aber vielleicht verschiebt sich der Blick darauf, was man tatsächlich braucht und kann mit dem Geld, das man tatsächlich ausgeben muss, Prioritäten setzen und gezielter fair, bio oder einfach weniger ausbeuterisch (also z.B. keine für Skandale berüchtigten Marken) kaufen.
So viel zur Theorie.
Bisher habe ich zu den meisten dieser Ideen nicht den Mut oder die Motivation gehabt, es mal zu probieren. Aber vielleicht hilft ja das Bloggen dabei, mal in Bewegung zu kommen.
Und wer weiß? Mit Netzwerken, die kreative Lösungen umsetzen und verbreiten, mag man vielleicht mit der Zeit ein tragbares System aufbauen, das wieder lokaler und transparenter agiert. Aber ach, jetzt fange ich noch an zu träumen...

Montag, 23. Juni 2014

Liebe

Liebe ist nicht fair und man tut aus Liebe nicht automatisch die richtigen Dinge. Es gibt bessere (d.h. gesündere) und schlechtere (also schädlichere) Arten zu lieben, aber Liebe an sich ist erst einmal eine starke Kraft, die vielleicht, unter Umständen den ein oder anderen Berg versetzen kann - oder Menschen unter diesem vergraben.

Ich bin nicht unbedingt die Person, die Ratschläge erteilen sollte. Ich habe Menschen, zu denen ich eine romantische Beziehung geführt habe, zum Teil mehr verletzt, als es die Umstände formal erzwungen hätten. Das liegt unter anderem daran, dass es für mich selbst schwierig ist, meine eigenen Grenzen zu erkennen, wenn ich nur die besten Absichten habe und diese so definiert habe, dass sie mit meinen Interessen kollidieren. Und fühlt sich eine Beziehung für mich im Kern nicht einfach an - ist sie nicht mehr der Ort, an dem ich zur Ruhe kommen und auftanken kann - dann fängt ein andauernder Krieg mit mir selbst an, der sich letztendlich auch an denen entlädt, denen ich eigentlich gerecht werden wollte.

Liebe ist keine Dienstleistung. Kein Freundschaftsdienst, nichts, was größer als die Summe seiner Einzelteile und somit auch nichts, was wichtiger als die Einzelteile wäre. Liebe ist vorhanden und ausreichend oder sie ist es nicht. Und wenn sie dies nicht ist, dann ist dies kein Versagen und ein Eingeständnis sollte nicht länger als nötig heraus gezögert werden. Jemandem innerhalb des intimsten Kreises unserer Privatsphäre nahe zu sein ohne die Verbindung zu spüren, die uns einander ertragen und nicht nur ertragen sondern uns aneinander erfreuen lässt, ist Gift für einen selbst und letztendlich auch die Person, die mixed Signals und vielleicht sogar passiv aggressive Ventile von uns abbekommt.

Wir lernen nicht viel über den "richtigen" Umgang mit Liebe, sondern vor allem über den gesellschaftlich angemessenen. Medien vermitteln uns, eine Beziehung sei etwas, das aufrecht erhalten werden müsse, auch wenn es unmöglich erscheint. Uns werden heteronormative Codes vermittelt, die das Miteinander von Männern und Frauen weit übers Anbandeln und Turteln hinaus prägt. Uns wird die lebenslange monogame Partnerschaft als das Endziel unserer Suche dargestellt und sollte diese nicht auf magische Weise all unsere Bedürfnisse befriedigen, zweifeln wir schneller an uns als an den Dogmen, die uns eine "bessere Hälfte" versprechen. Wir zweifeln zum Teil auch viel zu spät an einer existierenden Beziehung - führen Beziehungen der Beziehung wegen. Die Abfälligkeit, mit der über Scheidungsraten gesprochen wird, ist ein weiteres Symptom dessen: Ist die Ehe nun für die Menschen da oder etwa anders herum?
Selbstfindung an sich ist schon schwierig und eine lebenslange Reise. Geben wir unsere Vorurteile über die Liebe auf, haben wir noch einige Krisen mehr zu durchleben: Jeder Mensch, den wir an uns heran lassen, deckt Teile unserer Persönlichkeit auf - viel Gutes, aber auch unsere Schwächen. Lieben ist eine Investition in Hoffnung und Vertrauen. Wir machen uns verletzlich um dafür bei jemandem authentisch sein zu können. Diese Erweiterung dessen, was wir als das Unsrige empfinden, zu verlieren und hoffentlich anderswo völlig anders und neu zu finden, ist schmerzhaft, unheimlich und voller Unsicherheiten. Geben wir diesen einen Versuch, ein guter Mensch für jemanden zu sein auf, müssen wir die unschönen Seiten, die wir dabei an uns erkannt haben, vielleicht akzpetieren ohne sie zurecht rücken zu können. Wir brechen den Versuch ab, uns zu überwinden und empfinden den Ausgang als ein Scheitern.

Das alles soll nicht bedeuten, dass ich gegen Langzeitbeziehungen oder gegen den Kampf um eine an sich harmonische Beziehung wäre. Beziehungen sollten nur nie aus einem anderen Grund geführt werden als den, dass wir sie führen wollen und dass wir uns durch sie besser fühlen als ohne. Jemand, dem wir uns nur noch verpflichtet fühlen, oder Jemand, der nicht gut für einen ist, durch den man sich schlechter, minderwertiger und ständig schuldig fühlt, ist niemand, den man halten sollte. Beziehungen, die sich selbst überleben, sind nunmalhalt nicht gut.

Es gibt aber gute, ja sehr gute Beziehungen. Beziehungen, in denen man ohne Angst miteinander reden kann, in denen man über seine Grenzen spricht und eigene Regeln aufstellt. Beziehungen, in denen man sich als Person besser verstehen und lieben lernt. Beziehungen, in denen man so offen zueinander ist, wie man sein muss, damit der Partner informierte Entscheidungen treffen kann.

Eine solche Beziehung kann monogam, offen oder polyamorös sein. Genau so, wie schlechte Beziehungen jede formale Form annehmen können.
Wichtig ist in meinen Augen, sicher zu gehen, dass man ähnliche Vorstellungen von einer Beziehung hat und/oder an einem gemeinsamen Konzept arbeitet. Monogamie als gesellschaftliche Norm scheint uns Monogamie als Default zu versprechen, allerdings gibt es sehr unterschiedliche Ideen davon, was sich dahinter genau zu verbergen hat. Manchen ist sexuelle Treue wichtiger als emotionale, manche sind schnell eifersüchtig, andere kaum oder gar nicht. Und es gibt Menschen, die Monogamie als Konzept für sich mehr oder weniger ablehnen. Anstatt also von einem "Default" einfach auszugehen und zu hoffen, dass der Partner oder die Partnerin ähnliche Vorstellungen und ähnliche Grenzen hat (oder - was ungleich problematischer ist: sich selbst automatisch mehr zuzugestehen als dem Anderen), sollte man sich darüber austauschen, was für eine Beziehung man führen möchte, kann und was man gemeinsam erschließen und eventuell ausprobieren mag. All dies ist dann aber auch nicht in Stein gemeißelt und sollte stets offen für neue Verhandlungen sein dürfen.
Das gilt natürlich nicht nur für Monogamie. Wenn man beispielsweise keine langfristigen Beziehungen oder eng gefasste Verbindlichkeiten eingehen will, sollte man den Anderen darüber aufklären, genau so, wie jemand, der Alles (z.B. Ehe und Kinder) oder Nichts haben will, seine Vorstellungen nicht durch über die Zeit subtil zunehmenden Druck kommunizieren sollte.

Standard-Liebesgeschichten stellen keinen Default dar. Aber sie werden oft genug erzählt, so dass wir deren Regeln verinnerlicht haben. Sich davon zu entfernen, bedeutet auch ein gutes Stück Mut, da man sich damit schnell aus dem allgemeinen Erfahrungshorizont des sozialen Umfelds begeben und damit anecken kann. Schnell wird man dann für jede Beziehungskrise in einer Art und Weise verantwortlich gemacht, für die man in einer klassischen monogamen Paarbeziehung nur Mitgefühl und Trost bekommen hätte. Eine Trennung wird viel eher als das Scheitern eines Beziehungsmodells wahrgenommen als die Trennung eines klassischen Paars. Allgemein kann man mit weniger Unterstützung und Verständnis rechnen und je nachdem, wie weit man sich aus der Norm heraus bewegt, kann sich sogar die Frage stellen, ob man mit seinem Beziehungskonzept überhaupt offen umgehen will. Dabei lassen sich manche Konzepte einfacher handhaben als andere. Das Paar, das an manchen Abenden swingern geht, kann diese Aktivität einfach verschweigen. Schwieriger ist es, einen Zweitpartner/ eine Zweitpartnerin (oder DrittpartnerIn, oder...) geheim zu halten, ohne in Konflikt mit seinem Gewissen zu kommen - insbesondere, wenn es sich um gleichberechtigte Beziehungen handelt.

Leider gerät man mit den gesellschaftlichen Vorstellungen nicht nur dann in Konflikt, wenn man sich von der monogamen Paarbeziehung entfernt, sondern auch schon dann, wenn man in den Augen der Gesellschaft jemand "falschen" liebt. Wenn man etwa keine Beziehung mit einem Menschen des anderen, binär definierten Geschlechts führt. Da mag "die" LGBTQ-Community schon viel erreicht haben, aber zum einen ist die Ablehnung noch immer erschreckend hoch und gefährlich Salon-fähig, wie viele öffentliche Aussagen von Politikern, Promis und Geistlichen immer wieder zeigen. Zum anderen ist "Toleranz" nun wirklich eine sehr niedrige Schwelle als Ziel für einen erwünschten gesellschaftlichen Wandel. Sichtbarkeit und Akzeptanz sind noch lange nicht erreicht, wenn die letzten homophoben Arschlöcher verstummt sind.
Wie oben bereits beschrieben, sind Liebesgeschichten sehr wichtig, um unsere Vorstellung davon zu prägen, was in der Liebe "normal" ist. Selbst wenn man nicht erzkonservativ eingestellt ist, muss man, wenn man nur heteronormative monogame Paarbeziehungen präsentiert bekommen hat, aktiv an seinen Vorurteilen arbeiten, wenn man abweichende Beziehungsformen auch nur denkbar machen will. Und dann wird jeder Vorstoß, Liebe in den Medien bewusst vielfältiger zu gestalten, in unserer Gesellschaft hier und jetzt, im Jahr 2014, als Machenschaften einer "Homolobby" dargestellt, die angeblich über eine riesige Macht verfügt. Dass das Anfechten von Privilegien sich für die Privilegierten zuweilen anfühlt, als ob sich das Machtgefälle umkehren würde, weil man sich an das bestehende derart gewöhnt hat, dass man es kaum mehr wahrnimmt, ist natürlich ein alter Hut. Dass sich Menschen auch jedem Versuch widersetzen, Awareness zu schaffen, weil man subjektiv nicht in einer Welt leben will, in der man nicht schon immer und automatisch zu den "Guten und Gerechten" gehört hat, ist auch verständlich. Umso nötiger ist Aufklärung und Präsenz, damit sich das Verhältnis von Allies zu Ignoranten so lange und so weit verändert, bis die "Verbindung aus Mann und Frau" nicht mehr die "Norm", sondern eine Wahl (meinetwegen die Wahl der Mehrheit - who cares?) ist.
Dann ebbt vielleicht auch die voyeuristische Neugier ab, wer es mit wem wie tut und wie was gehen soll und ob es bei Beziehungsform XYZ nicht etwa nur um oberflächliche Sexbeziehungen handeln würde.

Montag, 16. Juni 2014

Altern

Ich werde 30.

Nach Maikes Artikel zum Altern auf kleinderdrei wollte ich gleich aus gegebenem, oben stehenden Anlass einen Kommentar hinterlassen, habe es mir dann aber doch anders überlegt, da das Thema tatsächlich doch ein sehr großes ist.

In meiner Familie herrscht ein Spagat der Generationen: Zwischen mir und meinem älteren Bruder liegen 15 Jahre, meine Mutter war mitte 30 als sie mich bekommen hatte - mein Vater war da sogar schon mitte 40. Meine Eltern wiederum sind selbst unter den jüngsten ihrer Familien, weswegen ich aus dem Familiären eigentlich nur die Situation kenne, Küken zu sein. Ich bin groß geworden mit Erwachsenen, die anstelle einer Midlife Crisis ein aktives Leben geführt haben, die Profession gewechselt und für sie bedeutungsvolle neue Tätigkeiten gefunden haben. Entsprechend wenig Angst habe ich vor dem Altern als Zuwachs an erlebter Lebenszeit. Vielleicht aber umso mehr vor Gebrechlichkeit und Demenz, immerhin war ich noch nicht fertig mit der Schule, als meine Eltern damit begannen, über Pflege oder die Finanzierung der Beerdigungen zu sprechen. Nicht zu vergessen, dass meine (also die einzige verbliebene) Oma Monate nach einem schweren, den ganzen Körper lähmenden Schlaganfall verstarb, als ich gerade mal neun war - eine Oma, die ich immer nur als weißhaarige Frau kannte, die aber ebenfalls bis zum Schluss eine aktive, lebensfrohe Person war.
Somit habe ich das Glück, genügend Vorbilder fürs Altern in meiner direkten Umgebung zu haben, so dass mich das Nullen diesen Monat eigentlich ziemlich kalt lässt.

Natürlich: Ich hätte beruflich schon weiter sein können und wenn jüngere Menschen bereits deutlich mehr erreicht haben als ich, fühle ich mich manchmal insgeheim doch etwas alt. Dann aber fällt mir ein, wie viel Zeit ich (vermutlich) noch habe, um Gutes zu leisten. Erfolg ist kein Rennen, sondern eine höchst individuelle Sache. Der Wert von Erfolg ist nicht negativ korreliert mit dem Alter der Person. Das mag am Arbeitsmarkt vorbei argumentiert sein - und das Vorurteil, nur bezahlte Arbeit sei wertvolle Arbeit steckt ja leider tief - aber der Arbeitsmarkt ist eben nicht alles, Gehalt ist kein Maß für Produktivität und ich bin sogar schwer davon überzeugt, dass in Zeiten, in denen tatsächlich notwendige Berufe auf dem Arbeitsmarkt immer weniger repräsentiert sind, die gesellschaftlich wertvollere Arbeit oft, wenn nicht sogar vorwiegend unbezahlt gemacht wird.
Ob ich mich am Ende meines Lebens also ausgerechnet mit meiner getätigten Lohnarbeit identifizieren werde oder mit Leidenschaften, die ich anderweitig ausgelebt habe, wird sich zeigen. Es ist nunmalhalt so, dass ich sehr mit mir hadere, an mir zweifle und vielleicht erst jetzt, mit (quasi) 30 den Mut finde, mich sichtbar zu machen und mich "auszutesten". Ich bin erst in den letzten Jahren zu einer bekennenden Feministin und Quasi-Veganerin geworden, habe im letzten Jahr erst so einiges darüber gelernt, wie ich zur Liebe stehe und wie dort meine Ideale verortet sind.

Eitelkeit ist für mich ein ambivalentes Thema: Ich sehe es relativ gelassen, dass meine Haut altert, andererseits habe ich aber auch erst seit zwei Jahren wieder ein gesellschaftlich "akzeptables" Gewicht und fühle mich daher - nach gängigen Schönheitsidealen - "hübscher" als viele Jahre zuvor - ein Umstand, der an sich schon diskutabel ist und mehr über unsere Gesellschaft als über mich selbst verrät.

Ich denke, letztendlich ist das Fazit meines Lebens folgendes: Erwachsen Werden existiert nicht. Man kann ein ganzes Leben damit verbringen, sich mit Steuererklärungen "anzufreunden".  Wenn man außerdem Zwischenziele wie die, eine Famile zu gründen und "sesshaft" zu werden, verwirft, bleibt wenig übrig, was das junge Leben vom "alten" unterscheidet. Insbesondere, wenn man in einem Feld Fuß zu fassen versucht, in dem unbefristete Stellen rar und ein Nomadenleben die Regel ist.
Eine Weile lang hatte ich gehofft, ich könnte in jedem Tag eine neue Chance sehen - was leider, da man einen Rattenschwanz an Vorgeschichte mitrbingt, nur eine ausgesprochen begrenzte Wahrheit darstellt. Inzwischen sehe ich mich zunehmend als Produkt eines anhaltenden Prozesses. Und trotzdem: Es wäre schön, eines morgens aufwachen zu können und entscheiden zu können, wer man ist. Vielleicht weniger introvertiert, vielleicht selbstbewusster, vielleicht mit mehr Motivation und mehr Leidenschaft. Vielleicht mit dem Wissen, wer man ist, und wohin man damit will. "Früher" hat man vielleicht darauf spekuliert, dass dieses Wissen Teil des erwachsen Werdens ist und dass man dann "endlich" seinen Weg gehen wird. Den einzig wahren, der einen zu seiner "Bestimmung" führt. Es ist trivial und gleichzeitig ernüchternd festzustellen, dass es ein fortlaufender Prozess ist, sich selbst zu finden, sich zu definieren, Ziele zu finden, Ziele zu erreichen und dabei vielleicht auch noch ein Gefühl der Befriedigung zu erlangen.

Der Umstand, dass wir einmalig sind, schützt uns nicht davor, dass wir ganz normale und verbreitete Krisen durchleben, die sich damit umschreiben lassen, dass wir einer unter über 7 Milliarden Menschen sind - und dabei altern.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Heiraten

Da bin ich wieder. Viel hat sich getan, das meiste ist geblieben. Letztendlich habe ich vor Allem nichts geschrieben, weil es zu jedem Thema ja doch jemanden gibt, der das alles schon besser, ausführlicher und vor Allem informierter geschrieben hat.

Andererseits: Ätsch.

In letzter Zeit frage ich mich, was alles meine Gründe gegen das Heiraten sind. Und es sind tatsächlich gar nicht mal so wenige. Da ich, wäre diese Überzeugung keine zutiefst persönliche Sache, auch aus den besten Gründen auf eine kulturell derart tief verwurzelte und positiv besetzte Tradition nicht verzichten würde, wird der Kern wohl egoistisch motiviert sein. Also stelle ich das der Ehrlichkeit halber doch gleich an den Anfang: Ich möchte allein deswegen schon nicht heiraten, weil mir unwohl bei dem Gedanken ist, aufgrund von wandelbaren Gefühlen, die auf ein wandelbares Objekt (weil Subjekt ;) ) gerichtet sind, langfristige Pläne zu machen. Natürlich wäre es schön, Gewissheit zwischen all der Ungewissheit bezüglich meines weiteren Lebenswegs zu haben, aber die lässt sich im Zwischenmenschlichen nunmalhalt nicht in Granit meißeln. Zwar mag die Ehe einen weiteren Anreiz geben, um eine Beziehung zu kämpfen, aber an dem Punkt, an dem einen nur noch der Aufwand einer Scheidung davon abhält, sich zu trennen, wäre man mit einer Trennung vermutlich eh schon lange besser dran.

Ich will auch und besonders nicht heiraten, weil ich zu stolz dafür bin, denn ich sehe auch heute noch einen Zusammenhang zwischen Ehe und patriarchalen Denkstrukturen: Da wir nämlich noch immer in einer Gesellschaft leben, die vorwiegend von Männern geprägt wird (je mächtiger eine Position, desto wahrscheinlicher, dass ein Mann sie einnimmt) und in denen Frauen weiterhin die Ehe als erstrebenswertes Ziel dargestellt wird, schwingt ein Gewisser Unterton, Männer bekämen irgendwann "ihre" Frau automatisch mit. Weil nämlich die Kernfamilie noch immer propagiert wird und es als selbstverständlich erachtet wird, dass die Frau die Erziehung übernimmt. Ein Mann möchte Kinder, also muss er "seine" Frau finden, die ihm diesen Wunsch erfüllt, während er sein Lebensmodell im Beruflichen weiter ausschmückt.

Dadurch, dass sich die Politik noch immer vorwiegend auf die Unterstützung der Kernfamilie begrenzt, während gleichzeitig durch das Erziehungsgeld ein Anreiz für die häusliche Kindererziehung gesetzt wird, bekomme ich als Frau ein deutliches Signal gesendet: Wenn du eine gut ausgebildete Frau bist, die trotz fehlender Quote einen Job findet, dann haben wir *vielleicht* einen Platz in der Kinderkrippe für dein (künftiges) Kind. Andernfalls halten wir dir dieses schöne warme Plätzchen in der Gesellschaft frei, in dem du der Gesellschaft unsichtbar und unbezahlt zuarbeiten darfst. ("Woher sollen denn sonst die künftigen Rentenbeiträge kommen?!")
Zusammen gefasst bedeutet das für mich, dass die Emanzipation der Frauen nicht ohne eine Emanzipation von der Kernfamilie statt finden kann. Das betrifft nicht die Wahl des/der Einzelnen, aber eine gesellschaftliche Veränderung muss in der Summe schon vor sich gehen.
Ich will meinen eigenen Lebensweg gehen und ich will mich nicht durch Mutterschaft in die Ehe oder durch Ehe in die Mutterschaft und damit in eine Rolle drängen lassen, die mir gesellschaftlich einfach zu unsichtbar ist.
Ich möchte nicht unsichtbar sein. Ich will teilnehmen.

Ein weiterer Punkt ist für mich die unberechtigte Adelung heterosexueller Paarbeziehung auch dann, wenn diese kinderlos sind. Es geht Homo-Ehe-Gegnern also nur um den speziellen Status, den Mann und Frau als Eltern haben? Wo bleiben dann die Shitstorms gegen gewollt und ungewollt kinderlose Paare in heterosexuellen Konstellationen, die heiraten wollen? Nein, natürlich geht es nicht nur um ein vermeindliches Kindeswohl - Kinder gibt es auch ohne Trauschein, in Haushalten ohne Vater oder Mutter, in Patchworkfamilien, mit zwei Vätern, zwei Müttern, in Kommunen, Poly-Beziehungen und überhaupt potentiell überall dort, wo Menschen ganz privat ihre eigene Familie definieren.
Was homosexuellen Paaren durch den fehlenden Zugang zur Institution "Ehe" sicherlich nicht unabsichtlich verwehrt wird, ist eben diese "Adelung" ihrer Beziehung: Die romantische Vorstellung, "den Bund fürs Leben" einzugehen, vor einer Gruppe von Menschen die eigene Beziehung zu feiern, die Beziehung offiziell zu machen und staatlich anerkennen zu lassen.
Ich bin also auch deswegen nicht zu heiraten, weil ich gar nicht will, dass meine heterosexuellen Beziehungen als selbstverständlicher, normaler und legitimer angesehen werden als homosexuelle Beziehungen (zumal ich auch gar nicht ausschließen kann oder will, eine verlässliche und geliebte Partnerin zu finden - oder eine genderqueere Person). Ich habe gar kein Interesse daran, den Ist-Zustand zu unterstützen, indem ich Privilegien unterstütze, die ich zutiefst ungerecht und diskriminierend finde.
Natürlich kann man als heterosexuelles Paar selbst heiraten und gleichzeitig die Homo-Ehe unterstützen und wäre ich überhaupt eine Freundin des Konzepts "Ehe" wäre das vermutlich genau das, was ich tun würde, aber als jemand, der sowieso gegen das "Normieren" von Beziehungen ist, sind heteronormative Strukturen im Recht einfach ein weiterer Grund auf die Adelung meiner Beziehung(en) auf offizieller Ebene zu pfeifen.

Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, Verbindlichkeiten auf unbestimmte Zeit einzugehen. Man kann Menschen, mit denen man biologisch nicht verwandt ist, so nahe sein, dass man ihnen den Familienstatus zusprechen lassen möchte, damit z.B. im Falle eines Unglücks, in der man selbst nicht mehr über die eigene medizinische Versorgung entscheiden kann, jemand stellvertretend entscheiden kann, dem man vertraut. Aber das muss nicht mit finanziellen Vorteilen einhergehen und vor allen Dingen muss man deswegen nicht zu einer Leistungsgemeinschaft zusammen gefasst werden, welche die traditionelle Arbeistteilung zumindest... naja... nahe legt.

Es gibt einen weiteren Grund, warum ich nicht einmal nur die Ehe, sondern vielmehr den klassischen Lebensweg, einen Lebenspartner zu finden und um ihn herum sein Leben zu defininieren, durchaus kritisch sehe: Weil dadurch, dass unser Anfang und unser Ende in Kernfamilien statt finden "soll" wir partikuliert werden und dadurch ganz besonders auf Konsum angewiesen und fixiert sind: Wenn sich immer nur zwei erwachsene Menschen Wohnraum mit Küche und Sanitäranlagen, Unterhaltungstechnik, Haushaltsgeräten und so weiter teilen müssen, dann muss auch einfach mehr konsumiert werden. Dafür muss mehr gearbeitet werden und es bleibt weniger Zeit für andere Projekte, beispielsweise auch, politisch aktiv zu werden. Es stabilisiert so den Status Quo, besonders, wenn Kinder ins Spiel kommen, denn eine Aufgabe, von der man nicht umsonst sagt, sie bedürfe "ein ganzes Dorf" wird dann in der Hauptsache zwei Menschen aufgelastet.
Nicht, dass ich mit meinem Singlehaushalt für viel anderes leben würde, als für den Konsum - zumindest zeitlich betrachtet. Aber mir ist in letzter Zeit klar geworden, wie sehr Beziehungen unter Erwachsenen auf relativ oberflächliche Kontakte beschränkt werden, wenn es sich nicht um Verwandtschaftsbeziehungen handelt und dass wir uns dadurch der Möglichkeit berauben, uns gegenseitig intensiver zu stützen, mehr zu teilen, Kompetenzen zu vereinigen und ein ganzes Stück autonomer von Arbeitsmarktsituationen und staatlicher Hilfe (inklusive den damit verbundenen Sanktionen) und vielleicht sogar von Krippenplätzen zu werden.
Ich weiß nicht, ob ich für das Leben in einer Kommune geeignet wäre, aber sollte diese Idee in Zeiten von wirtschaftlichen Unsicherheiten nicht viel näher liegen, als sie es tut?